Frage: Wie lange kann es dauern, bis die KI uns in allen wichtigen Dingen des Lebens überholt?

Fabian Zehner Beantwortet am 19 Sep 2024:

Da stimme ich Annegret zu: sie wird nie in >allen< wichtigen Dingen besser sein, zumal zumindest aus meiner Sicht gerade jene Dinge wichtig im Leben sind, die für Maschinen irrelevant oder unmöglich sind, wie gemeinsam Gefühle erleben (miteinander lachen, bei Filmen oder beim Trösten miteinander weinen), gemeinsame Erlebnisse haben, empathisch im Umgang sein, dann humorvoll sein, wenn es angemessen ist, etc. Lebewesen haben auch naturgegebene Ziele (etwa den Überlebenstrieb), aus dem sich viel Verhalten ableitet. Das fehlt den Maschinen und muss ihnen praktisch eingepflanzt werden, sodass ihnen von dieser Seite auch so einiges fehlt.

Mit den aktuellen Sprachmodellen kann man schon ganz gut sehen, dass die KI das ziemlich gut *vorgeben* kann und so tut, als *hätte* sie da ein Verständnis; aber fühlen kann sie Gefühle natürlich nicht, sondern sie redet nur darüber, wie wir Menschen eben auch darüber reden, weil sie uns *nachmacht*.

Und was den zeitlichen Fortschritt angeht, kann man im letzten Jahr eine Sättigung der Leistungssteigerung der aktuellen KI-Systeme sehen und zeigen (also: sie werden nicht mehr wirklich viel besser). Das ist auch der Grund, warum es inzwischen so einige Sprachmodelle gibt, die ChatGPT und seine zugrundeliegenden Modelle aufgeholt haben, obwohl die so viel Vorsprung hatten und auch das Geld haben, um sich weiter zu verbessern.
Die grundlegenden Probleme, wie zum Beispiel Halluzinationen, bleiben mit dem aktuellen Ansatz und es wird neue Durchbrüche in neuen Bereichen geben müssen, um wieder einen großen Schritt weiterzukommen. Das hat auch zuletzt der Chef von der ChatGPT-Firma OpenAI, Sam Altman, selbst gesagt.

Was können solche Durchbrüche sein? Aus meiner Sicht wird das vor allem das Kombinieren verschiedener Ansätze sein. Die aktuellen Systeme werden dabei mehr oder weniger die sprachliche, vllt. auch die koordinierende, Funktion übernehmen, aber dann braucht es noch Gedächtnisfunktionen, logisch schlussfolgerndes Denken und z. B. Rechnen. Man sieht erste Ansätze davon schon darin, dass ChatGPT inzwischen eher auch mal Python-Code schreibt und ausführt, um Sachen auszurechnen. Erst wenn da ein sinnvolles Miteinander verschiedener Komponenten entsteht, wie es auch im Hirn des Menschen der Fall ist, wird es zu großen weiteren Durchbrüchen kommen. Zeitlich ist das jetzt nicht ganz weit weg, aber momentan sieht man (denke ich persönlich) noch relativ wenig Bewegung in die Richtung.

Um nachvollziehen zu können, was ich meine, könnt ihr ja mal versuchen, mit einem Sprachmodell ein Wordle zu spielen. Also denkt euch ein Wort mit 5 Buchstaben aus und lasst das Modell raten, welches Wort es ist. Und ihr sagt ihm dann immer, welche der Buchstaben, die es genannt hat, a) überhaupt gar nicht im Wort vorkommen, b) sehr wohl vorkommen oder c) sogar an der richtigen Position im Wort sind. Dann werdet ihr sehen, wie wenig logisch schlussfolgerndes Denken in den aktuellen Modellen steckt, obwohl man meinen müsste, dass Computer da eigentlich ziemlich gut sein müssten (noch dazu auf der sprachlichen Ebene, wofür die Sprachmodelle ja gebaut sind).